Sonntag, 8. Juni 2008
Umzug und Hinduismus in Pushkar
Nach unserem erlebnisreichen Wochenende nach Jaisalmer stand am Mittwoch darauf unsere Umzug an. Nach ca. 3 Jahren Praktikantenunterkunft wurde unser altes Pyjamas (so nennen wir unsere Wohnung) gegen eine neuere, saubere und um einiges größere Wohnung ausgetauscht. Unsere Wohnung war mit der Zeit wirklich nicht bewohnbar. Die Ameisen hatten es mittlerweile sogar ins Schlafzimmer geschafft und die Wohnung sah aus wie ne Messie-Wohnung, wie man Sie von taff auf ProSieben kennt. Die letzten drei Jahren haben alle Mitbewohner ein Teil ihres Gepäck einfach im Pyjamas gelassen...Und dann sammeln sich nun mal mit der Zeit ein Dutzend Bettlacken, Kopfkissen, Parfümflaschen, Ohrringe, Taschen, Schuhe und anderer Kram an. Somit mussten wir am Mittwoch nach der Arbeit erstmal "brauchbar" von "wegschmeißen" trennen...Dann mussten wir unsere ganzen Sachen packen und in irgendwas verstauen. Umzugskarton gibt es nämlich in Indien nicht :-) Aber wir hatten ja Eimer, Schuhkartons und natürlich Plastiksäcke. Nach insgesamt 6 Stunden hatten wir alle Klamotten, Schuhe, Möbel, Geschirr, Bücher und alles andere von dem wir uns nicht trennen könnten, in unsere neue Wohnung mit einem Lieferwagen verfrachtet. Tatkräftige Unterstützung hatten wir von 10 indischen Halbstarken von Aisec. Um 0 Uhr sind wir dann todmüde ins Bett gefallen. Am nächsten Tag ging es dann mit dem Einräumen aller Sachen weiter. Nachdem wir jetzt endlich wieder eine Putzfrau und einen Laundry Guy haben, haben wir uns in unseren neuen Wohnung ganz gut eingelebt. Jetzt brauchen wir nur noch Wasser und Zeitung und unser neues Pyjamas ist wieder ganz das Alte.
Nach dieser anstrengenden Woche hatten wir uns ein absolut entspannendes Wochenende verdient. Somit ging es Freitag mit dem Sleeperbus nach Pushkar. Wie die meisten unseren Wochenendziele auch in Rajasthan. Erstmal hatte der Bus natürlich ne halbe Stunde Verspätung. Kurz vor Pushkar ist dann der Bus einfach stehen geblieben, jeder ist ausgestiegen, aber keiner konnte erklären, was eigentlich los ist. Wirklich niemand in der Nähe konnte Englisch sprechen und somit saßen wir in unserem Bus und haben gewartet. Irgendwann kam dann mal jemand und hat gemeint, wir sollen in einen anderen Bus steigen. Wir hatten aber Bustickets direkt nach Pushkar gekauft und somit waren wir stur und blieben im Bus sitzen. Nach einer halben Stunde kam uns die Idee, einer unseren indischen Freunde anzurufen, die dann mit dem Busfahrer auf Hindi reden und es uns nachher auf Englisch erklären. So haben wir dann nachher erfahren, dass der Bus kaputt ist und wir deswegen in ein anderen Bus steigen müssen. Somit saßen wir dann nochmal 2 Stunden länger in einem anderen Bus. Der fuhr aber leider nur nach Ajmer, ca nochmal ne halbe Stunde von Pushkar entfernt. Somit müssten wir uns dort dann wieder eine Rikscha suchen, die den steilen Weg um einen Berg herum von Ajmer nach Pushkar auf sich nehmen wollte. Natürlich wieder mit einer Verspätung von 5 Stunden kamen wir in Pushkar an. Dann ging es direkt zum Hotel durch die Gassen von Pushkar. Naja nicht ganz direkt...Ich hatte mir vorher den Lonely Planet genau angeschaut, in dem geschrieben stand: Nehmen sie sich in Acht vor angeblichen Priestern, die mit Ihnen für ihr Karma und das ihrer Familienmitglieder betten wollen. Am Ende der ganzen Prozedur, bei der man ein Bindi auf die Stirn geklatscht gekriegt, ein rotes Band um den Arm und eine Kokosnuss sowie rote und gelbe Blumen in den See von Pushkar schmeißt, wird für das alles natürlich Geld verlangt. Auf einmal können die sonst so „friedlichen“ Priester ganz schön böse werden, wenn man ihnen kein Geld geben will.
Wir waren nicht mal richtig in Pushkar angekommen und schon sind wir darauf reinfallen. Pushkar ist eine sehr heilige Stadt für Hindus und hat sehr strenge Regel, die lauten: Kein Alkohol, kein Fleisch, kein Ei und keine Küsse. Im See von Pushkar wurde Gandhis Asche verstreut und rund um den See findet man die sogenannten Ghats, an denen sich die Hindus waschen. Wir sind dann nach einer halben Stunde in Pushkar gleich zum Hinduismus übergetreten, haben kräftig für unser, Mamas, Papas und Geschwisters Karma gebettet. Manchen von uns war das sogar 500 Rupien wert. Ich hab mir vorgenommen, dass ich für irgendein Karma kein Geld zahlen muss. Somit hab ich meinem Priester versucht auf Englisch zu erklären, dass ich es schlimm find, dass der Hinduismus in manchen Orten so kommerziell geworden ist und alles mit Geld verbunden ist. Nach einem „Thank you“ bin ich dann einfach gegangen. Mir war mein Karma nun mal keine Rupie wert. Als wir uns dann aus den Armen der Priester befreit hatten, kamen wir endlich in unserem wunderschönen Hotel „Seventh Heaven“ an. Es war wirklich wie der siebte Himmel...wunderschön eingerichtete Zimmer mit einem riesigen Bett, in der Mitte des Hotels war ein kleiner Garten und überall standen schöne, gemütliche Hollywood-Schaukeln, alles war voll mit Pflanzen. Man hätte dort das ganze Wochenende verweilen können, ohne einen Fuß raus zusetzten. Nach einer Dusche ging es aber in die Einkaufsgassen von Pushkar. Schnell haben wir herausgefunden dass Pushkar ein Shoppingparadies ist. Somit haben wir den ganze Samstag mit Shoppen verbracht. Am Abend sind wir dann direkt am See in ein Restaurant gegangen, dass voll gestopft mit Backpackern war. Wir sind es immer noch nicht gewohnt, so viele weiße Menschen in Indien auf einem Fleck zu sehen. Dementsprechend überfordert waren wir dann:-)
Am nächsten Tag haben wir uns dann erstmal mit einem leckeren Frühstück gestärkt. Dann hatten wir uns vorgenommen, uns doch ein paar Dinge in Pushkar anzusehen. Als erstes sollte der Brahma-Tempel auf dem Programm stehen. Anscheinend der einzige in ganz Indien. Um dort hinzukommen, müssten wir leider auch wieder durch Shoppinggassen laufen. Somit gab es hin und wieder Zwischenstopps von dem ein oder anderen. Am Tempel angekommen, mussten wir dann erstmal unsere Schuhe ausziehen und unsere Taschen ablegen. Als wir unsere Füße auf die erste Stufe gesetzt hatten, kam uns dann auch wieder sofort ein „Priester“ entgegen, der mit uns die Tour durch den Tempel machen wollte ohne das wir es wollten. Nach ganz viel Betterei und Blumen verstreuen, dürften wir uns dann zu einem Guru setzten, der aber total nicht an uns interessiert war. Unser „Priester“ hatte gemeint wir können ihn fragen, was wir wollen und er kann uns eine Antwort darauf geben. OK, was fragt man eine Guru oder welche Frage getraut man sich wirklich laut auszusprechen. Somit saßen wir nur vor dem Guru, haben uns alle gegenseitig ignoriert und kamen uns dementsprechend bescheuert vor. Nach ca. 15 Minuten und 100 Rupien weniger hatten wir die ganze Prozedur endlich überstanden. Und wieder hab ich mich an diesem Wochenende gefragt, wieso alles Sprituelle, eigentlich Wunderschöne, durch diesen kommerziellen Gedanken zerstört werden muss. Und wieder hab ich mir einfach nur gewünscht, Indien manchmal als Inder zu erleben und nicht als weißer, reich aussehender Tourist, der jedes Ritual miterleben will, damit er daheim davon erzählen kann und nicht weil er es selber darin einen Sinn sieht. Leider hatten wir nach dieser Tempel-Erfahrung auch schon genug vom Sight-Seeing. Somit wollten wir uns restlichen Tag noch mal ins Shopping-Fieber stürzen. Zwischendurch waren dann nur noch ich und Karin zusammen und der Rest der Gruppe war irgendwo verstreut. Unseren Franzosen Antoine haben wir irgendwann entdeckt, gefangen in der Mitte von zwei Gypsie-Tänzerinnen. Von dem Anblick von zwei Inderinnen mit einem weißen Mann versteckt in einem kleinen Raum, waren wir dann erstmal geschockt. Karin hat mir dann erklär, dass die meisten Gypsie-Tänzerinnen oftmals auch Prostituierte sind...Wir dachten uns, dass das für Antoine alleine zu gefährlich ist und hatten uns einfach dazu gesetzt. Sie hatten es bereits geschafft, ihm seine Hand mit einem Henna-Tattoo zu bemalen...und ganz schnell hatte eine der Gypsie-Tänzerinnen meine Hand gepackt und auch ein Tattoo auf meine Hand geklatscht. Ich wusste ja schon am Anfang, dass sie Geld dafür verlangen werden, aber als mir Antoine sagte, dass er 500 Rupien dafür bezahlt hatte, stockte mir echt erstmal der Atem. Naja also mal abwarten, was sie von mir verlangen werden. Nach einem nettten Pläuschen und einem Fotoshooting mit Gypsie-Tänzerinnen und ein paar indischen kleinen Jungs kamen wir dann zur Preisverhandlung. Weil ich ja eine wirkliche gute Freundin von ihr bin, verlangt sie von mir nicht soviel wie von den anderen. Normalerweise verlangt sie 800 Rupien, aber von mir und von Karin verlangt sie nur 600 Rupien. So wurde das anfangs nette Gespräch gleich ziemlich böse. Ich drückte ihr 500 Rupien für beide Tattoos in der Hand, nachdem ich mich mit ihr gestritten hab, wie unverschämt es ist, soviel von uns verlangen. War ziemlich schockierend wie schnell die Freundlichkeit verflogen war.
Im Laufe des Tages hatten wir dann noch erfahren, dass es in Ajmer den ganzen Sonntag Aufständ gaben und Leute aus einer bestimmten Kaste, Busse angehalten haben, die Leute rausgezogen haben und die Busse angezündet haben. In ganz Ajmer war der Teufel los. Schnell war für uns klar, dass wir nicht, wie eigentlich geplant, mit dem Bus nach Hause fahren werden. Erstens wollten wir nicht durch Ajmer fahren, das war uns dann doch ein bisschen zu gefährlich und zweitens hatten wir keine Lust darauf, dass unser Bus brennt. So mussten wir mal wieder zum Plan B zurückgreifen. Soll ja öfters in Indien vorkommen. Plan B bestand aus einem Fahrer, der uns sicher von Pushkar nach Baroda fahren soll. Naja unser Auto brannte nicht und von den Aufständen haben wir nicht mehr viel gesehen, als wir um 19 uhr durch Ajmer gefahren sind. Aber mit einem Fahrer zu fahren, der liebend gern in der Kurve überholt, mit voller Geschwindigkeit über Speedbreaker fährt und Vollbremsungen nicht schlecht für die Reifen hält, ist vielleicht auch nicht gerade die sicherste Variante. Aber wir hatten schon schlechtere, verrücktere Fahrer. Also wir könnten in aller Ruhe schlafen und waren dann um 6 Uhr morgens in Baroda...
Es war ein wunderschönes, entspannendes Wochenende an dem uns nicht nur einmal die Augen geöffnet wurden, dass wir immer noch Touristen sind, die mitten in Indien angekommen sind. Indien kann auch unfreundlich, kalt, gewalttätig und kommerziell sein...oder spirituell, ruhig, faszinierend, aufregend???

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